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Der Pergamonaltar

Ein Reisender, der sich im Jahre 150 vor Christus dem Burgberg von Pergamon näherte, erblickte eine der bedeutendsten Königstädte von ganz Griechenland - und auf der Akropolis eines der berühmtesten Bauwerke der Antike: den Pergamonaltar, ein unübertroffenes Meisterwerk der hellenistischen Kunst. Damals war der Altar fast quadratisch, im Berliner Museum ist nur das vordere Drittel rekonstruiert. Wir wissen nicht genau, welchen Göttern er geweiht war. Vermutlich werden es Athena, die Schutzgöttin der Stadt, und der Göttervater Zeus gewesen sein.

Zum eigentlichen Opferplatz hatte unser Besucher jedoch keinen Zutritt. Nur die Priester, der König und höchste Würdenträger schritten die Freitreppe hinauf, um im oberen Innenhof auf einem steinernen Tisch Opfertiere zu verbrennen. Aber auch schon vor zwei Jahrtausenden stand der Besucher sicherlich gebannt vor dem größten Kunstwerk, das die berühmten Bildhauer von Pergamon je geschaffen haben: dem grandiosen Fries, der um den ganzen Altar herumlief. Allerdings wirkten die Reliefs auf den antiken Reisenden etwas anders - sie waren ursprünglich nämlich bunt bemalt und üppig mit Gold und Silber verziert.

König Eumenes II. hatte den Altar ab dem Jahr 170 vor unser Zeitrechnung als Dank an die Götter bauen lassen, wahrscheinlich unter anderem für seinen Sieg über die Kelten, die jahrzehntelang Kleinasien in Angst und Schrecken versetzt hatten. Auch der Fries zeigt einen Krieg: den Kampf der Giganten. Die Söhne der Erdmutter Gaia hatten sich gegen die Herrschaft der Götter auf dem Olymp aufgelehnt. Wie eine dreidimensionale Fotografie zeigt der 113 Meter lange Fries die gewaltige Schlacht, kurz vor dem Triumph der Götter. In dramatischer Bewegung wogt das Gefecht ringsum, in Gruppen kämpfen die Olympier gegen die Giganten mit menschlichem Oberkörper und Beinen aus Schlangen: am Südfries die Gottheiten des Lichtes, am Nordfries die Kriegsgötter, rechts und links von der Treppe Dionysos und Poseidon.

Die großartigsten Szenen aber erblickte der antike Besucher zuerst. Denn er näherte sich damals dem Altar von hinten - und hier kämpften Zeus und Athena. Zeus hat es mit drei Giganten gleichzeitig aufgenommen. Weit holt er mit der rechten Hand aus - sie hielt wohl ursprünglich einen Blitz, vielleicht aus vergoldeter Bronze - sein Oberkörper ist entblößt, die kraftvollen Muskeln aufs Äußerste angespannt - ihm gegenüber hebt der Gigant Porphyrion den Arm, um den Todesstoß abzuwehren - aber im nächsten Moment wird Zeus ihn erschlagen.

Auch Athena steht unmittelbar vor dem Triumph. Sie hat den geflügelten Giganten Alkyoneus mit einer mächtigen Bewegung bei den Haaren gepackt und reißt ihn hoch. Mit einem Fuß berührt Alkyoneus noch den Boden. Solange er mit seiner Mutter Erde verbunden ist, gewinnt er immer wieder neue Kraft. Neben Athena taucht Gaia auf und fleht um das Leben ihres Sohnes - vergeblich. Athena wird ihn ihr entreißen.

Die Überlegenheit der Götter ist schon an ihrer Haltung zu erkennen. Die Giganten winden sich mit schmerzverzerrten Gesichtern, verzweifelt, am Ende ihrer Kräfte, dem Tode nahe. Die Unsterblichen aber stehen aufrecht, strotzend vor Kraft. Ihre Mienen sind gleichmütig, fast unbewegt - selbst im Kampf stehen sie weit über den Sterblichen. Der antike Reisende wird die Anspielung sofort verstanden haben: genau so sahen sich auch die Griechen. Mit ihrer überlegenen Kultur hatten sie die "barbarischen" Kelten besiegt.