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Das Aleppo-Zimmer

"O Wohnung, über deren Räume der Morgen lächelnd hereinbricht, lachend seine weißen Zähne zeigend! Wie viele Tage bin ich in deinen Räumen glücklich gewesen, habe mit allen mich zurückgezogen zu Wissenschaft und Kunstgespräch. Während meine Rechte in Sicherheit war vor ihren Schicksalsschlägen. Und in meiner Linken war vom Nordwind gekühlter Rebensaft."

So euphorisch schwärmt eine Inschrift hier im Empfangszimmer des Hauses von Isa ben Butrus in Aleppo. Isa war ein "simsar" - heute würde man sagen ein "Broker" - der die Handelsware der Karawanen aus aller Welt an Abnehmer aus dem ganzen Mittelmeerraum vermittelte. Im Jahre 1600 nach unserer Zeitrechnung hatte er den Raum, in dem er Gäste und Geschäftspartner empfing, mit bemalten Holzpaneelen neu täfeln lassen. Drei Jahre arbeiteten die Künstler daran. Damit ist diese Holztäfelung die älteste ihrer Art, die es auf der Welt noch gibt.

Die Mitte des Raumes war einst von einer Kuppel gekrönt, darunter plätscherte ein Springbrunnen. Die vielfältigen frei gemalten Ornamente tauchten den Raum in eine märchenhafte Atmosphäre.

Was aber das Aleppo-Zimmer wahrhaft einzigartig macht, sind die Bilder. Sie zeigen Fabelwesen, literarische Motive und islamische Gelehrte. Isa ben Butrus aber war Christ und ließ auch viele biblische Szenen darstellen - alleine fünf Mal Maria mit dem Jesuskind oder hier das letzte Abendmahl. Obwohl also christliche Motive im Mittelpunkt stehen, orientierte sich der Maler nicht am christlich-byzantinischen Stil, sondern vor allem an der osmanischen Buchmalerei. Halab Schah ben Isa stammte wahrscheinlich aus Persien - dafür sprechen sein Malstil, aber auch seine Rechtschreibfehler in den arabischen Inschriften.

Isa ben Butrus hat die religiösen Szenen sorgfältig ausgewählt: sie stellen zwar christliche Motive dar, gehören aber ebenso zum Bilderkanon von Juden und Muslimen. Auch die Inschriften - Psalme, Sprichworte und Gedichte - verletzen niemandes Gefühle. So ist das Aleppo-Zimmer nicht nur ein herausragendes Kunstwerk, sondern bis heute ein Vorbild für das respektvolle Zusammenleben von verschiedenen Religionen.