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Babylon

Babylon. Kaum ein Name löst so viele Assoziationen aus: die mächtigste Metropole der antiken Welt, Symbol für Größe und Glanz, für Maßlosigkeit und Niedergang. Tausend Jahre nach seiner Gründung stand Babylon in höchster Blüte. Im Jahre 605 vor Christus bestieg König Nebukadnezar II. den Thron. 43 Jahre lang herrschte er über ein riesiges Reich vom Tigris bis nach Unterägypten. Noch heute umfassen die Reste seiner Hauptstadt 850 Hektar - das größte aller Ruinenfelder in Mesopotamien.

Nebukadnezar demonstrierte seine Autorität mit grandiosen Bauten. Mit einem doppelten Mauerring ließ er Babylon umgeben, die äußeren Mauern dreieinhalb, die inneren sogar sechseinhalb Meter dick. Schon in der Antike galten sie als eines der Sieben Weltwunder. Zum größten Teil waren sie aus einfachen Lehmziegeln - nicht aber das riesige Ischtar-Tor und die breite Straße, die darauf zuführte. Denn hier fand der Höhepunkt des babylonischen Jahres statt: die Neujahrsprozession.

Elf Tage lang haben die Bildnisse der Götter im Neujahrshaus vor den Toren der Stadt zugebracht. Nun tragen die Priester sie auf reich geschmückten Thronen feierlich zurück in ihre Tempel. Eine jubelnde Menschenmenge säumt ihren Weg, an den strahlend blauen Wänden bricht sich die Musik. Alleine die Größe der Mauern ist für die meisten Zuschauer, die ja selbst in niedrigen Lehmhütten wohnen, überwältigend.

Zudem erinnern sie die furchterregenden Löwen, die der Prozession entgegenschreiten, immer an die Größe der Göttin Ischtar, Herrscherin über Krieg und Liebe. An dem ihr gewidmeten Tor empfangen die Symboltiere der anderen Hauptgötter die Prozession: der Stier des Adad - zugleich fruchtbar und gewalttätig wie der Gott des Wetters. Und der schreckliche Drache Muschhuschu mit dem Kopf einer Schlange, den Tatzen eines Löwen, den Krallen des Adlers und dem todbringenden Stachel des Skorpions - Schnelligkeit und Stärke, Weisheit und Macht über Leben und Tod. Er ist Marduk, der größte aller Götter Babylons.

Auf dem Gemälde im Babylon-Saal ist gut zu sehen, dass das Ischtar-Tor und die Prozessionsstraße in mehreren Schichten gebaut wurden. Die ältesten Teile der Wände trugen Reliefs aus unglasierten Ziegeln. Später wurden sie zugeschüttet, und die Babylonier errichteten auf ihnen neue Mauern. Jetzt überzogen sie die Wandflächen mit farbigen Glasuren: die Baumeister malten die mythischen Tiere auf die Ziegel. Auch diese Schicht wurde später aufgeschüttet. Erst im letzten Schritt kombinierten die Babylonier beide Techniken: an den grandiosen Bauten des Nebukadnezar sind die Göttersymbole farbig glasierte Reliefs.

Die Prozession hat das gewaltige Ischtar-Tor durchschritten - 48 Meter lang ist alleine der Weg durch die vier Torbögen! Jetzt nähert sie sich dem Tempelbezirk. Und mitten darin dem höchsten Bauwerk der Welt. Das Haus des Gottes Marduk thront hoch oben auf einem riesigen Tempelturm - dem Turm zu Babel! Die Zikkurat von Babylon war der größte aller Tempeltürme. "E-temen-an-ki" nennen ihn die Keilschrifttafeln: "Das Haus des Fundamentes von Himmel und Erde".

Als die Archäologen 1899 nach Babylon kamen, war vom berühmten Turm zunächst nichts mehr zu sehen. Nur Wassergräben zeigten, wo die Mauern einst gestanden hatten. Die Forscher mussten auf zwei besonders trockene Sommer warten, bis sie die Fundamente der Außenwände studieren konnten.

Wie die meisten europäischen Künstler irrte auch Pieter Breughel, als er 1563 sein berühmtes Bild malte: der Turm zu Babel war nicht rund, sondern quadratisch. Aber er hatte tatsächlich gewaltige Ausmaße: 91 mal 91 Meter war seine Grundfläche, und 91 Meter muss er auch hoch gewesen sein. Die Außenmauern bestanden aus gebrannten, der massive Kern aus Millionen von ungebrannten Ziegeln. Jahrzehntelang müssen die Babylonier daran gearbeitet haben. Der Turmbau zu Babel - in der Bibel das Symbol für Anmaßung. Gott will die Menschen von ihrer Selbstüberschätzung abbringen:

"Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe!"

Tatsächlich muss in der Metropole ein sprichwörtlich babylonisches Sprachengewirr geherrscht haben. Abgesandte und Händler aus aller Welt trafen hier aufeinander - und dazu unzählige Gefangene aus unterworfenen Völkern.

Nebukadnezar verherrlichte mit seinen Bauten aber nicht nur die Götter, sondern ebenso sich selbst: auch seinen Thronsaal ließ er außen mit farbigen Ziegeln verkleiden. Neben dem Ischtar-Tor sind Teile dieser Prunkfassade rekonstruiert. 56 Meter lang war sie einst, mit prachtvollen Ornamenten aus Palmsäulen, deren Kronen zu Voluten stilisiert waren. Und wieder wiesen die Löwen der Ischtar jeden Besucher in seine Schranken - eine furchterregende Demonstration der königlichen Macht.

Einer der Nachfolger von Nebukadnezar war König Belsazar, und hinter diesen Mauern könnte sich die biblische Geschichte vom Menetekel abgespielt haben.