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Alle Götter werden akzeptiert -
aber der Kaiser muss verehrt werden: Religion

Die Staatsreligion hält die römische Gesellschaft zusammen. Ihre Zeremonien an den unzähligen Feiertagen sind öffentliche Ereignisse. Oft beginnen sie mit einer prunkvollen Prozession. Hier tragen die Zimmermänner einen Schrein durch die Stadt, darauf ein Modell ihrer Arbeit. Ganz links Minerva - der typische Schild ist ihr Erkennungs-Zeichen. Sie ist die Schutzgöttin der Handwerker, und die Prozession führt zu ihrem Tempel mitten auf dem Forum.

Der wichtigste Tempel der Stadt war den drei mächtigsten Göttern gewidmet: Jupiter, dem Göttervater - seiner Gattin Juno, Beschützerin von Geburt und Ehe - und Minerva, der Göttin der Weisheit. Sie behütete die Handwerker ebenso wie Dichter und Lehrer. Statuen der Götter standen einst in Nischen an der Rückwand des Tempels. Um sie herum lagen die Opfergaben, mit denen die Pompejaner die Götter günstig stimmen wollten. Hier könnte auch das Modell der Zimmerleute seinen Platz gefunden haben.

Die Zeremonien der römischen Religion finden nicht im Tempel statt, sondern am Altar davor - am wichtigsten: die Tieropfer. Der Priester trägt eine weiße Toga, die er über den Kopf gezogen hat. Von rechts führen Sklaven, zu erkennen am nackten Oberkörper, den Opferstier zum Altar. Aus den Innereien des geopferten Tieres können Priester nach jahrelanger Ausbildung die Zukunft vorhersagen. Das Fleisch wird zum Teil auf dem Altar verbrannt, der Rest ans Volk verteilt - so wird die Gemeinschaft für alle spürbar. Dabei müssen sämtliche Rituale peinlichst genau nach den Traditionen ablaufen. Jede Änderung würde das Fundament der Gesellschaft in Frage stellen.

Auch der Kaiserkult ist Teil der öffentlichen Religion. Der Kaiser - ein Gott? Für die Römer klingt das plausibel. In der Mythologie sind die Grenzen zwischen der Menschen- und der Götterwelt fließend. Mancher Held wird unsterblich: hier etwa wird Herkules von Juno und Minerva in den Olymp geführt. Und ist nicht auch der Kaiser mit seiner gewaltigen Macht längst "über-menschlich" geworden? Letztlich hilft auch der Kaiserkult den Römern, sich mit ihrem Staat zu identifizieren.

Prof. Karl-Wilhelm Weeber, Wuppertal/Witten:

"Man wünscht sich selbst alles Gute, indem man dem Kaiser als dem höchsten Menschen in diesem Staatsverband alles Gute wünscht. Ich kann eben sagen: der Mann an der Spitze, für den muss ich gute Wünsche haben, damit er sein Reich - eben auch mein Reich - entsprechend gut regiert, und insofern kommt aus solchen Wünschen: ‚wir wünschen dem Kaiser alles Gute', entwickelt sich dann auch so ein persönlicher Kult."

Hier stand einst die Statue von Kaiser Augustus - im Haus der "Augustalen" von Herculaneum. In dieser Bruderschaft zur Verehrung des Kaisers sind vor allem ehemalige Sklaven Mitglieder. Da sie nicht frei geboren sind, können sie ja nicht in Ämter gewählt werden. Augustalen aber dürfen sie werden - und der Kaiserkult ist durchaus prestigeträchtig.

Aber es gibt nicht nur die großen öffentlichen Tempel. Jedes Haus hat einen kleinen Altar, an dem die Familie den Hausgöttern opfert. Die Götter sind als kleine Statuen anwesend: die Penaten, die Schutzpatrone des Hauses, und die Laren, die Geister der Ahnen. Aus ihrem Füllhorn sollen sie Wohlstand über die Familie ausgießen. Dafür opfert man ihnen Eier, Früchte oder Pinienzapfen - Symbole der Fruchtbarkeit. Und von jeder Mahlzeit wird für sie eine Portion ins Herdfeuer geworfen. Am wichtigsten ist wiederum der "Genius", der Göttliche Geist, des pater familias - oft als Schlange dargestellt.

Zu einigen wichtigen Fragen aber hat die Staatsreligion wenig zu sagen - etwa zur Angst vor dem Tod. Antwort auf solche Fragen suchen viele Menschen bei fremden Göttern. Besonders populär ist die geheimnisvolle Isis. In der ägyptischen Religion ist sie die Gemahlin von Osiris, dem Totengott. Er wird von seinem Bruder ermordet und zerstückelt - aber Isis sammelt die Leichenteile zusammen, erweckt ihn wieder zum Leben und zeugt mit ihm den Gott Horus. Deshalb wird sie als Siegerin über den Tod verehrt - auch von vielen Römern.

Das ist kein Problem: solange man der Staatsreligion nicht widerspricht, darf man im römischen Reich anbeten, wen man will. Die Götter von eroberten Völkern werden oft sogar in den römischen Pantheon übernommen - das fördert die Loyalität. Außerdem weiß man nie: sich mit dem falschen Gott anzulegen, könnte böse Folgen haben. Auch hier steht der Altar vor dem Tempel. In einem Häuschen daneben führt eine Treppe in die Tiefe - unter dem Altar finden rituelle Waschungen statt. Solche Privatreligionen nennt man Mysterienkulte: sie wahren Geheimnisse, die nur den Gläubigen zugänglich sind. Der Isis-Tempel etwa ist keineswegs öffentlich: nur ein einziges Tor führt in das Heiligtum.

Auch die berühmten Fresken in der Villa dei Misteri stehen mit einem Mysterienkult in Verbindung. Bis heute weiß niemand genau, was sie darstellen. Aber eine zentrale Rolle spielt der Gott Bacchus oder griechisch Dionysos. Am Anfang scheinen sich Frauen auf eine Zeremonie vorzubereiten, darunter wohl eine Priesterin. Neben ihnen traditionelle Begleiter von Dionysos: ein Silen, ein Dämon mit einer Leier, und zwei Ziegenhirten. Die zentrale Szene zeigt Dionysos selbst in den Armen seiner Braut Ariadne. Er ist der Gott der rohen, wilden Natur, von Rausch und Ekstase, Fruchtbarkeit - und Sex. Darauf bereitet sich die junge Frau auf diesem Bild vor: sie kämmt ihre Haare zur traditionellen Hochzeitsfrisur. Zeigen also die Fresken die Initiation einer Braut?

Hochzeiten sind in Rom Privatsache. Ehen werden nicht von den öffentlichen Priestern geschlossen. Meist zieht die Braut in einer feierlichen Prozession ins Haus ihres Mannes, es gibt ein Bankett - und solange die beiden zusammenleben, sind sie verheiratet.

Zur Sexualität haben die Römer ein unverkrampftes Verhältnis. Sie ist Teil des täglichen Lebens - auch in unzähligen Bildern, Figuren und Graffiti.